Der Gottesdienst zum 5. Fastensonntag stand unter dem Leitwort der diesjährigen MISEREOR-Fastenaktion „Es geht! Anders.“.
- Was zählt wirklich im Leben?
- Was brauchen wir zu einem erfüllten Leben?
- Was sammeln wir, ohne dass es uns wirklich glücklich macht?
Robert Faust und Iris Giegerich vom Team Tansania lenkten im Gottsdienst den Blick auf Menschen und Organisationen aus dem diesjährigen Partnerland Bolivien, die Wege des Wandels suchen: nämlich konkrete Verbesserungen vor Ort mit eigenem Engagement zu ermöglichen und auch weltweit mit gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Partnern und im Umgang mit der Schöpfung neue Wege zu suchen.
Ja, es geht, es geht anders! Veränderung, Wandel ist möglich, wenn wir uns dafür öffnen.
Auch die Corona-Krise hat wie in einem Brennglas gezeigt, wo Veränderungen nötig sind, wo Ungerechtigkeiten bei Verteilung der Macht und Ressourcen in den Fokus rückten, der Stellenwert von Berufen und Dienstleistungen als „systemrelevant“ erkannt wurden und wo die Balance zwischen Bewahren und Erneuern neu justiert werden muss. Wir erleben eine Welt im Wandel und in Aufruhr: Proteste, Populismus und rechtsradikale Strömungen sind Ausdruck von Ängsten, auch Existenzängsten. Viele Fragen unserer Zeit sind nicht mit einfachen Antworten zu lösen.
Wie können wir den Raubbau an den Ressourcen stoppen? Wie möglichst allen Menschen den Zugang zu Bildung und Gesundheitsvorsorge und damit ein Leben in Sicherheit ermöglichen? Auch in Bolivien ist der Zerfall von Familien- und Gemeinschaftsstrukturen zu erleben, die Jugend sehnt sich nach einem besseren Leben, Traditionen werden gering geachtet und indigene Völker stehen vor der Gefahr, ihre eigene Kultur zu verlieren.
Es kann auch anders gehen. Hier in Deutschland hat das Gebot, Zusammenkünfte einzuschränken, den Wert der Familie, des Nächsten und der Gemeinschaft vor Augen geführt. Die Wertschätzung für das Miteinander ist gewachsen. Resteverwertung und Mehrfachnutzung erfahren eine Renaissance.
In Bolivien erleben die Indigenen die Kraft der Rückbesinnung auf traditionelle Anbauformen, verknüpft mit neuen, naturnahen Methoden und erfahren so Wertschätzung und Bestärkung. Dabei werden sie von Partnerorganisationen von MISEREOR unterstützt:
„Der größte Erfolg ist die Veränderung in der Haltung der Familien. Am Anfang waren sie konformistisch, jetzt sind sie offen, glücklich, zufrieden mit dem was sie haben, und schätzen auch die Baumarten, die sie haben; wilde Sorten werden in die Parzelle integriert. Sie sind jetzt auch bereit, ihr Territorium der Agrarindustrie, die in die Gegend kommt, gegenüber zu verteidigen.”
“Die Vision, die ich als Mitarbeiter der Caritas habe, ist, dass die Bauern sich Einkommen verschaffen, ein besseres Auskommen haben, ihre Umwelt schützen, und durch die Agroforstsysteme und Gärten eine vielfältige Ernährung haben.“ (Franklin Loza, Caritas Reyes)
„Der Beginn von allem war meine Liebe zu den Pflanzen. Ich bin wegen der Fülle an Pflanzen jetzt sehr glücklich: Kakao, Zitrusfrüchte, Waldpflanzen, etc. Ich habe die Parzelle diversifiziert, das ist für mich Fülle. Das Wichtigste ist der Kakao, langfristig bringt er gute Früchte, und wir können ihn verkaufen.”
“Wenn ich vergleiche, ist heute mein Familienleben viel schöner und ruhiger. Früher musste ich zum Arbeiten für Wochen abwesend sein. Weil ich jetzt mehr mit den Pflanzen hier arbeite, kann ich viel mehr Zeit mit meiner Familie verbringen.”
“Früher haben wir gar nicht gemerkt, wie wir durch das Abbrennen dem Boden schadeten. Unsere Eltern benutzten Pestizide und die Böden haben dadurch auch großen Schaden genommen, wir mussten sie erst acht Jahre ruhen lassen… Jetzt habe ich gelernt, wie das Laub dem Boden hilft.“ (Alejandro Guayao)
Deyanet Garzón, kolumbianische Beraterin von MISEREOR, berichtet über eine neue Praxis, um zu einem integralen Verständnis von Entwicklung zu kommen. Dabei werden technische und wirtschaftliche Aspekte mit einer ganzheitlichen Sicht des Menschen zusammengedacht. Wenn wir das sozio-ökologische Gleichgewicht wiederherstellen und ein anderes Verhältnis zur Erde und unseren Mitmenschen wollen, müssen wir auch wieder lernen, Beziehungen aufzubauen mit uns selbst, mit anderen, mit der Natur.
Dahinter steht das Prinzip einer integralen Ökologie sowie eine Haltung und Praxis der integralen Achtsamkeit als Voraussetzung für die Umsetzung der notwendigen Veränderungen. Es geht darum, ein Leben in Einheit, Ganzheit und Verbundenheit wiederzuerlangen, unseren Platz im Universum mit anderen Wesen wiederzufinden und unsere menschliche Essenz zu retten: die Fähigkeit zu lieben, die ihren maximalen Ausdruck in der Haltung der Achtsamkeit findet.